2013-2016 Projekt: Verbesserung der Lebensverhältnisse

Juni 2013 – Mai 2016

Zusammenfassung des Abschlussberichts zum Projekt:
„Nachhaltige Ernährungssicherung und Verbesserung der Lebensverhältnisse in Pujehun und Bonthe in Sierra Leone“ 

Projektträger im Entwicklungsland: Pujehun Youths for Develop (PYD), 1 District Office Road, Pujehun, Sierra Leone
Projektlaufzeit: 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2016
Kofinanziert: BMZ, KNSL e.V., PYD und Zielgruppe

Projektort und Zielsetzung: Die Projektmaßnahmen wurden in drei Chiefdoms durchgeführt: Sakrim und Yakemo Kpukumu Krim (YKK) im Distrikt Pujehun und Kwamebei Krim im Distrikt Bonthe. Gesamtziel des Projekts war es, zu einer nachhaltigen Verbesserung der Ernährungssicherung und der sozioökonomischen Verhältnisse im Projektgebiet beizutragen, indem benachteiligte Gruppen befähigt werden, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu sichern, und die örtliche Wirtschaft neue Impulse erhält.

Dazu sollten die Produktion von Feldfrüchten gesteigert und die Einkommensmöglichkeiten für die Zielgruppe erweitert werden. Um diese Ziele nachhaltig zu verankern, hat das Projekt bei allen Maßnahmen als Querschnittsaufgabe auch Aktivitäten zur Verbesserung der Hygiene und der sanitären Verhältnisse und zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Mädchen durchgeführt.

Zielgruppenerreichung: Direkt erreichte das Projekt die unmittelbare Zielgruppe von 840 bäuerlichen Haushalten (davon 420 mit weiblichem Vorstand), die in bäuerlichen Gemeinschaften organisiert wurden, Zugang zu keimfähigem Saatgut und landwirtschaftlichen Werkzeugen erhielten und vom Projekt empfohlene neue Anbautechniken und -konzepte übernahmen und neue Feldfrüchte und Gemüse mit hohem Marktwert anbauten. Insbesondere die zur Teilnahme am Projekt ausgewählten Frauen betätigten sich sehr aktiv an allen Projektmaßnahmen. Als Nutznießerinnen des Projekts genossen die Frauen eine absolut gleichberechtigte Stellung. Auch andere Mitglieder der 14 teilnehmenden Gemeinden mit insgesamt 18,720 Einwohnern hatten direkten und indirekten Nutzen aus dem Projekt. Alle 10.000 Bewohner der 8 Dörfer, die einen tiefen Rohrbrunnen mit Handpumpe erhalten haben, würdigten die Tatsache, dass sie jetzt sauberes Trinkwasser zur Verfügung haben. Die Hygiene-Aufklärung für alle 14 Teilnehmergemeinden hat die Verbesserung der sanitären Verhältnisse unterstützt. Außerdem haben alle Gemeinden von den Traktoren profitiert. Sie sollten nicht nur den Projektteilnehmern zur Verfügung stehen, sondern gegen Zahlung eines Kostenbeitrags für Treibstoff und Fahrerentgelt auch an andere Bauern vermietet wurden

Das Projekt sollte die folgenden spezifischen Ziele erreichen:

  1. Verfügbarkeit von und Zugang zu Nahrung in ausreichender Menge sind für 840 Haushalte in 14 marginalisierten Dörfern in den Chiefdoms Sakrim, YKK und Kwamebei Krim ab Projektende ganzjährig sichergestellt
  2. Mikrofinanzdienstleistungen sind für 300 ressourcenschwache Frauen und junge Männer zugänglich
  3. 10.000 Bewohnern in 8 Dörfern steht ganzjährig und ortsnah sauberes Trinkwasser zur Verfügung, und die Bevölkerung praktiziert gutes Hygieneverhalten
  4. Transportengpässe im ländlichen Raum sind gemindert: Der Transport von Waren ins Projektgebiet und von landwirtschaftlichen Überschüssen zu den Märkten in den benachbarten Städten ist durch einen Projekt-LKW gewährleistet
  5. Die Rechte von Frauen und Mädchen im Projektgebiet werden gestärkt.

Konkret wurden folgende Projektaktivitäten durchgeführt:

  1. Bereitstellung landwirtschaftlicher Betriebsmittel
  2. Wiedereinführung des mechanisierten Landbaus
  3. Bereitstellung effizienter landwirtschaftlicher Beratungs- und Schulungsangebote
  4. Bereitstellung von Darlehen für einkommensgenerierende Aktivitäten
  5. Schulung in kaufmännischem/betriebswirtschaftlichem Grundwissen
  6. Bau von acht tiefen Rohrbrunnen mit Handpumpe
  7. Investition in einen Lastwagen als Beitrag zur Behebung der Transportengpässe
  8. Gesundheits- und Hygieneaufklärung und Gender-Mainstreaming als Querschnittsaufgaben

Die Ebola-Epidemie März 2014-April 2015
Die Epidemie hat deutliche Rückschläge in der Zielerreichung verursacht. Die Ziele der Ernährungs- und Existenzsicherung konnten nicht im geplanten Umfang realisiert werden. Der Anbau von Feldfrüchten war 2014 und 2015 wesentlich geringer als erwartet, das Mikrofinanzprogramm (MFP) musste zeitweilig ausgesetzt werden, und generell wurde die Vermarktung der Erzeugnisse durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit stark behindert. Zwischen März und Mai 2014, also in der Pflanzzeit im Projektgebiet, begann sich die Krankheit in Sierra Leone auszubreiten.
Während der Wachstumsphase (Juni bis Dezember 2014) nahm die Zahl der Erkrankten stetig zu, und in der Haupterntezeit für Reis erreichte sie kritische Werte. Aufgrund der Angst vor Ansteckung wurden Ausgangssperren verhängt und Menschen¬ansammlungen untersagt. Darunter litt schon das Unkrautjäten beträchtlich, und bei der Ernte gab es ebenfalls erhebliche Einbußen.

Die Gender- und Hygieneaktivisten wurden während der gesamten Ebola-Epidemie schwerpunkt-mäßig für die Aufklärungsarbeit zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der Krankheit abgestellt. Zum Höhepunkt der Epidemie gab es häufige Ausgeh- und Reiseverbote, und für die monatlichen Coaching- und Monitoring-Besuche mussten die Mitarbeiter / Agrarberater des Projekts jeweils einen Ebola-Check absolvieren (Feststellung der Fieberfreiheit), um eine Reiseerlaubnis ausgestellt zu bekommen.

Gesamtbewertung des Projekterfolgs
Anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts kamen wir, unser Partner PYD, die Nutznießer, die Mitarbeiter des Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährung & Forsten (MAFFS), der Distriktrat von Pujehun und die Bevölkerung der Chiefdoms, in denen die Maßnahmen durchgeführt wurden, zu der Einschätzung, dass das Projekt gute Wirkung gezeigt hat. Die Zielsetzungen standen in Einklang mit dem MAFFS-Rahmenprogramm für die ländliche Entwicklung. Aus Sicht des MAFFS und des Distriktrates erzielte das Projekt seine größte entwicklungsfördernde Wirkung dadurch, dass es jungen Männern und Frauen die Möglichkeit einer gewinnbringenden Tätigkeit in der Landwirtschaft eröffnete.

Dies ist der sinnvollste Weg, der wirtschaftlichen Not der ländlichen Bevölkerung nach dem langen Bürgerkrieg entgegenzuwirken. Durch den Gemeinde-basierten Ansatz war bei dem Projekt ein hohes Maß an Relevanz gewährleistet. Alle Projektaktivitäten wurden in enger Abstimmung mit dem MAFFS-Büro in Pujehun durchgeführt, welches die Konzeption des Projekts als sehr angemessen einschätzte, weil es marginalisierte soziale Gruppen wie ehemalige Bürgerkriegskämpfer, Kriegsopfer und Frauen als integrale Akteure der ländlichen Wirtschaft einbezog, und weil es die ländliche Entwicklung als einen multidisziplinären Prozess begriff.

Insgesamt bewerteten die Nutznießer ebenso wie die Bevölkerung der Projekt-Chiefdoms den Nut¬zen und die Dienste, die das Projekt in den letzten 3 Jahren hervorgebracht hat, als gut oder sehr gut. Sie waren der Meinung, dass die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen als Ergebnis der Projektaktivitäten entstanden war, würdigen die Unterstützung bei der Stärkung der Selbstachtung, die Verbesserung der organisatorischen Fähigkeiten ihrer Gemeinden, die Verbesserung der zwischen¬menschlichen Beziehungen in den Familien und in der Gemeinde, und insgesamt die Mehrung von Wissen und Fähigkeiten, um anstehende Probleme eigenständig zu lösen. Im Durch¬schnitt wandten 60% der Bäuerinnen und Bauern und andere Gemeindemitglieder, die im Projekt geschult wurden, gute Praktiken in Landbau, Kleinhandel und Hygiene sowie in der Wahrnehmung von Führungsaufgaben an.

Diese Ergebnisse wurden auch bei einem Besuch bestätigt, den der Distriktdirektor für Landwirt-schaft im Projektgebiet abstattete. Bei einer Nachbesprechung im PYD-Büro erklärte er, dass 40-75% der Bäuerinnen und Bauern und anderen Stakeholder, die er in den Chiefdoms Sakrim und YKK befragt hatte, jetzt beste Praxis im Gemüseanbau in den Hausgärten, bei der Nachernte-Wertsteigrung, bei der Anwendung von Anbaukalendern und beim Abmessen ihrer Felder anwenden. Die Ergebnisse einer im August 2016 von PYD/KNSL durchgeführten Abschluss-Erhebung unter 200 Bäuerinnen und Bauern machten die Wirksamkeit und langfristige die Auswirkung der Trinkwasserbrunnen- und der Mikrofinanzkomponenten des Projekts sichtbar. So waren z.B. alle Haushalte (100%) in den Dörfern Karlie und Saama sehr zufrieden mit ihren Trinkwasserbrunnen, die sie für eine enorme Verbesserung ihrer Lebensqualität halten. Viele Bewohner dieser Dörfer appellierten an PYD, auch ihre Nachbardörfer dabei zu unterstützen, sauberes Trinkwasser zu bekommen. Durchsch¬nittlich wandten 60% der Frauen und jungen Männer, die eine Schulung in Mikrofinanzmanagement erhalten hatten, die erlernten Business-Tools an, darunter auch eine einfache Form der Buchführung (Einnahmen/Ausgabenrechnung).

Mindestens 3.800 GemeindeführerInnen (Chiefs), TraditionsführerInnen, Religionsführer, Jugend- und FrauenführerInnen wurden bei Projektveranstaltungen für die Rechte von Frauen und Mädchen sensibilisiert. Mit mindestens 450 Frauen als direkten Teilnehmerinnen unterstützte das Projekt die Bildung mehrerer Bäuerinnengruppen und gemischter Gruppen von jungen Männern und Frauen. Das Projekt schulte und unterstützte eine gleiche Anzahl FührerInnen von Frauen- und gemischten Gruppen in Aufbau und Führung bäuerlicher Gemeinschaften und wirtschaftlicher Interessengruppen, wobei auch kaufmännisches und Marketing-Grundwissen vermittelt wurde. Im Laufe des Projekts konnten Frauen Führungsrollen in den bäuerlichen Gemeinschaften und in den Mikrofinanzvereinen übernehmen. Bei der Abschluss-Erhebung zur Projektwirkung im August 2016 gaben 2 von 3 Frauen an, dass sie nach der Schulung im Projekt eine wichtigere Rolle in den Entscheidungsprozessen in der landwirtschaftlichen Betriebsführung, in der Familie und in der Gemeinde bekommen hatten. Somit hat das Projekt ein gewisses Maß an Transformation in den traditionellen Geschlechterrollen herbeigeführt, auf Haushalts- ebenso wie auf Gemeinde-Ebene. Einige Frauen im Chiefdom Sakrim berichteten, dass sie sich mit Unterstützung von PYD in Gruppen zusammengeschlossen und Spar- und Kreditvereine auf Dorfebene gegründet hatten, um Investitionen in Werk¬zeuge und Hilfs¬mittel zu ermöglichen und 2016 in vollem Umfang am mechanisierten Reisanbau teilnehmen zu können. Eine Aktivistin in Gombu erklärte: „In dieser Gegend hat noch keine andere Organisation solche Dienstleistungen angeboten.“

Seit 2015 haben Frauen in den Projektdörfern damit begonnen, in der Trockenzeit (in der Regel die Wachstumsperiode) Verkaufstände für Gemüse aufzustellen und Informationen zur Vermarktung ihrer Produkte auszutauschen. Die Erhebung im August 2016 ergab, dass 60-85% der Chiefs, der TraditionsführerInnen, Religionsführer und Jugend- oder FrauenführerInnen genderbewusstes Verhalten in ihrer Amtsführung zeigten. Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen war gestärkt und diskriminierende Beschränkungen bezüglich Erwerbsmöglichkeiten und der Nutzung ihres Einkommens waren für Frauen im Projektgebiet stark reduziert. Vier von fünf Frauen sagten aus, dass sie das Recht auf Nutzung ihrer Ressourcen und auf Erwerb und Besitz von Land/Eigentum uneingeschränkt ausüben können.

Wie wichtig die Wiedereinführung des mechanisierten Reisanbaus und die Bereitstellung landwirtschaftlicher Beratungsdienste für das Erreichen der Projektziele war, zeigte sich in den Kommentaren von Bäuerinnen und Bauern und GemeindeführerInnen in den Dörfern des Projektgebiets. In allen Gemeinden konnte bei der Befragung im Rahmen der Wirkungsanalyse echte Begeisterung festgestellt werden, ebenso wie ein steigendes Interesse auf Seiten der Bäuerinnen und Bauern, die noch keine Schulung erhalten hatten. Hier ein paar Aussagen von ProjektteilnehmerInnen:

„Wenn ich heute gefragt werde, wer ich bin, kann ich sagen, dass ich Traktorfahrer und -mechaniker bin. Das macht mich sehr stolz. Die Arbeit in diesem Projekt war meine bezahlte Beschäftigung.“ (Fatorma aus Saama).

„Das BMZ-Projekt, das PYD umgesetzt hat, hat mehr für uns getan als alles, was wir in unserem Dorf Gombu bisher erlebt haben. Dieser Brunnen für sauberes Trinkwasser war das erste Projekt, das bei uns im Dorf realisiert worden ist, und die Gender-Aufklärung hat schon viele Haushalte in unserem Chiefdom sensibilisiert.“ (Sprecher der jungen Männer in Gombu)

„Dieses Projekt hat uns in unserem Dorf zu besseren Bäuerinnen und Bauern gemacht. Die Agrarberater haben uns beigebracht, wie man richtig plant und eine Farming Matrix anwendet. Wir folgen jetzt einem richtigen Anbaukalender. Und wir haben gelernt, dass die verschiedenen Feldfrüchte bei unterschiedlichen Bodenbedingungen gedeihen, was wir früher nie bedacht haben. Jetzt wissen wir, dass unsere Arbeit bessere Ergebnisse bringt, wenn wir gutes, keimfähiges Saatgut nutzen, an Orten mit den richtigen Bedingungen anbauen und zur richtigen Zeit säen und pflanzen.“ (Eine 32-jährige Bäuerin und Mutter von vier Kindern in Massah)

„Zum ersten Mal waren mein Mann und ich in der Lage, alle unsere Kinder zur Schule zu schicken. Mein älterer Sohn besucht die St. Pauls Secondary School in Pujehun, meine große Tochter geht auf die Holy Rosary Secondary School in Pujehun, und die beiden Kleinen gehen auf die Primarschule in Bengani.“ (Die Vorsitzende einer bäuerlichen Gemeinschaft in Karlie)

Es konnten jedoch nicht alle Teile des Projekts problemlos umgesetzt werden. Die Abgelegenheit und der schwierige Zugang zu den Projektstandorten in den Flussauen und auf der sandigen Halbinsel, die keine Straßenanbindung an das Festland hat und nur per Boot erreichbar ist, verursachte den Projekt¬mitarbeiterInnen ebenso wie den Stakeholdern beträchtliche Probleme, besonders in der Regenzeit. Die Kosten für Projektverwaltung, Monitoring und aufsuchende Beratungsdienste waren deshalb höher als bei früheren Projekten auf dem Festland. Die partizipative Vorgehensweise (mit participatory rural appraisals (PRAs) und demand-responsive approaches), auf die sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung großer Wert gelegt wurde, wurde von allen Beteiligten als angemessen und einfühlsam gelobt, was notwendig war, um vor Ort Unterstützung zu finden. Trotzdem fühlten sich einige Dorf¬ältesten herausgefordert oder sahen ihre Autorität gefährdet, als Hygiene-Komitees, bäuerliche Gemeinschaften und Mikrofinanzvereine in ihren Dörfern gebildet wurden. Während des gesamten Prozesses wurden deshalb große Anstrengungen unternommen, um die traditionellen Autoritäten und die Dorfältesten für die Aktivitäten zu gewinnen und ihre Unterstützung zu erhalten. Das war von unschätzbarem Wert.

Eine weitere Schwierigkeit war die abgelegene Lage, die den Zugang zu den Märkten erschwerte. PYD hat zugesagt, sich weiter damit zu befassen. Und schließlich gibt es ein Hindernis, das die Produktivität der Landwirtschaft, die Hygieneaufklärung und die Schulungen für das Mikrofinanzprogramm noch lange hemmen wird: das hohe Maß an Analphabetentum unter den Frauen. Um einige dieser Herausforderungen anzugehen und PYD dabei zu unterstützen, die Zielerreichung des Projekts voll zu stabilisieren, sind in dem Berufsschulprojekt, das für die Zeit von 2017-2020 geplant ist, eine Reihe von Strategien vorgesehen, die diese Probleme angehen sollen: Unterstützung für Frauen in der Rolle als landwirtschaftliche Produzentinnen und Mitwirkende beim Aufbau ländlicher Wertschöpfungsketten, Förderung der Beteiligung von Frauen in neuen Wirtschaftsbereichen, und Abbau gesellschaftlicher Barrieren, die die Mitwirkung und Teilhabe von Frauen einschränken, durch entsprechende Genderregelungen in Politik und Entwicklungsprogrammen.